Kurz vor den Herbstferien wurde am Friedrich-Spee-Gymnasium Geschichte lebendig: Die Niederländerin Jacqueline van Maarsen, eine Schulfreundin von Anne Frank, war gemeinsam mit ihrem Mann Ruud Sanders zu Gast in der Bibliothek. Ein Bericht von Tara Schmitt (MSS 13).
In gespannter Stille schenkten Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 8, 12 und 13 ihrer Geschichte Gehör: Sie berichtete, dass sie sich zunächst gar nichts unter Antisemitismus vorstellen konnte, als nach 1933 viele Juden aus Deutschland so wie die Familie Frank in die Niederlande flohen, weil sie sich dort Sicherheit vor dem nationalsozialistischen Terror erhofften.
Doch das änderte sich nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen 1940, als sich auch ihr Heimatland unter dem Einfluss der judenfeindlichen Gesetze der Nationalsozialisten wandelte. In dieser Zeit lernte sie auch Anne Frank kennen, ihre Mitschülerin am jüdischen Lyceum –sie schlossen eine innige Freundschaft: „Ein paar Tage später erklärte sie, dass ich ihre beste Freundin sei und sie die meine. Ich war damit einverstanden.“
Jacqueline van Maarsen beschrieb Anne als ein extrovertiertes Mädchen, das das Leben genießen wollte. Umso trauriger war es, wie sie von den vielen Einschränkungen im täglichen Leben berichtete: „Ich traue mich nicht mehr, irgendetwas zu tun, weil ich immer Angst habe, es ist ja doch verboten“, zitierte sie ihre eigenen Worte, die Anne in ihr Tagebuch aufgenommen hat.
1942 war Anne Frank plötzlich verschwunden, angeblich in die Schweiz emigriert – ohne den versprochenen Abschiedsbrief an die beste Freundin Jacqueline. Erst Jahre später erfuhr Frau van Maarsen, was wirklich passiert war. Sie selbst hatte großes Glück: Ihre Mutter, die sich erst nach ihrer Hochzeit ihrem Mann zuliebe der jüdischen Gemeinde angeschlossen hatte, ursprünglich aber Christin gewesen war, konnte erreichen, dass ihre Familie von der Liste der zu deportierenden Juden gestrichen wurde. So entging Jacqueline dem fast sicheren Tod.
Nach dem Ende des Krieges erfuhr sie dann durch Annes Vater von der harten Zeit im Versteck, dem Verrat, der Deportation und dem Tod von Anne Frank und fast ihrer gesamten Familie in verschiedenen Konzentrationslagern. Und sie erhielt doch noch ihren Abschiedsbrief, den Anne ihr zwar nicht schicken konnte, den sie aber in ihr Tagebuch aufnahm, das Annes Vater 1947 veröffentlichte. Mit ihrer Geschichte verband Frau van Maarsen ein eindringliches Plädoyer gegen jede Form des Rassismus und Antisemitismus.
Schüler wie Lehrer waren ergriffen von van Maarsens Worten. Ihr Vortrag wurde mit entsprechendem Applaus geehrt. Auch der Schulleiter, Herr Hammann, sprach Frau van Maarsen in einer engagierten Rede seinen Dank aus, in der er mit den Worten aus Brechts Arturo Ui vor aktuellen Formen von Rassismus und Diskriminierung warnte: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“Am Ende ein herzliches Dankeschön an die Organisatoren der Lesung, Herrn Schmitz und Herrn Szemere aus Schweich, die Lehrer, die an der Organisation beteiligt waren, und natürlich an Frau van Maarsen und Herrn Sanders selbst, die uns dieses einmalige Erlebnis ermöglicht haben.