Dritter Preis für Christoph Fischer beim Rhetorik-Wettbewerb

Schulleiter Kajo Hammann gratuliert Christoph Fischer zu seinem 3. Platz.

Schulleiter Kajo Hammann gratuliert Christoph Fischer zu seinem 3. Platz.

Bei der 20. Auflage des Rotary Rhetorik-Wettbewerbs erreichte Christoph Fischer aus der MSS 11 den 3. Platz. Christophs Beitrag mit dem Titel „Debattenkultur – wie der Diskurs verarmt“ beschäftigte sich mit dem brandaktuellen Thema von polarisierenden Kommentaren und einer von Schwarz-Weiß Denken geprägter Auseinandersetzung in Medien und sozialen Netzwerken. Sein Fazit: Demokratie wird gemeinsam gestaltet, wir müssen wieder lernen, uns gegenseitig zuzuhören.

Bewertet wird beim Rhetorik-Wettbewerb die Gestaltung des zehnminütigen Vortrags sowie die freie Rede, Christoph setzte sich dabei gegen Teilnehmer von Gymnasien aus Trier und der Region durch.

Als besondere Zugabe verloste der Rotary-Club zum 20-jährigen Jubiläum unter allen Schulen zusätzlich den runden Betrag von 400 Euro. Das FSG hatte auch hier das Glück des richtigen Loses. Als Preisträger darf Christoph natürlich mit entscheiden, wie die Summe am FSG im Sinne von Schülern und Schule verwendet wird.

Chirstophs Rede im Wortlaut:

„Meine Damen und Herren,
Demokratie gestalten wir zusammen. In einer Demokratie wird gestritten, diskutiert, konsentiert.

Nur was, wenn das gar nicht mehr möglich ist? Wenn wir die Ansicht des anderen gar nicht hören wollen? Wenn wir schon vor einer Diskussion wissen, dass wir mit denselben Ansichten enden wie beginnen? Momentan traurige Realität.

Über den US-Präsidenten möchte ich an dieser Stelle kein Wort verlieren. Das ist auch nicht nötig. Bleiben wir hier. Bleiben wir in der Bundesrepublik. Es beginnt doch schon bei den absoluten Grundlagen. Wort des Jahres 2016: „postfaktisch“. Als postfaktisch bezeichnet man das Ignorieren der Fakten beim gleichzeitigen Vorziehen der eigenen Gefühle als Argumentationsgrundlage. Die reinste Form der Realitätsverweigerung.

Wenn man sich nicht auf eine gemeinsame Faktenbasis einigen kann, ist jeglicher Diskurs sinnlos. Ohnehin ist das postfaktische Argumentieren rein strategischer Natur. Passt die eigene Ansicht nicht zu den wirklichen Gegebenheiten, leugnet man die Realität einfach.

Beispiel gefällig? „70% der Männer unter 40 Jahren lassen sich vor einer Abschiebung krankschreiben.“ – frei erfunden, dazu gibt es keine Statistik. „30% der Menschen, die als Syrer zu uns kommen, sind gar keine Syrer und geben sich nur als solche aus.“ – auch das: ausgedacht, in Wahrheit sind es nicht einmal 3%.

Diese beiden Beispiele zeigen, dass die rechtspopulistische AfD ihr Gefühl den Fakten vorzieht. Oder? Nein, diese Beispiele stammen nicht aus den Reihen der AfD. Sie stammen von Thomas De Maizière, Innenminister unserer Bundesrepublik. Schön, nicht wahr?

Das Gefühl den Fakten vorzuziehen ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Natürlich vergiften Populisten den Diskurs, aber wir sollten uns nicht einbilden, dass diese darauf ein Monopol haben.

Wo wir grade schon über Populisten sprechen – Wer bietet denen noch gleich eine Plattform? Ohne Medien wäre der Rechtspopulismus tot. Wie praktisch, dass jedem noch so kleinen Ereignis überproportionale Bedeutung zugemessen wird. Ein Post auf Facebook, ein Satz in einer Rede und schon ist die AfD im Fernsehen. Wie auf Bestellung kommt dann der Aufschrei. Darauf folgen dahingeheuchelte Dementierungsversuche, Entschuldigungen bleiben stets aus.

Und die Medien? Die freuen sich über steigende Quoten. Kostenlose Aufmerksamkeit für Rassisten, powered by „Lügenpresse“. Nachdem man das entsprechende Ereignis künstlich aufgebauscht hat, folgt dann eine passende Grundsatzdebatte in einer Fernsehshow. Diese Debatten sind alles andere als wertvoll. Jeder bringt seine Ansicht mit und jeder geht mit exakt derselben Ansicht wieder nach Hause. Zeitverschwendung. Mit demokratischer Gestaltung hat das nichts zu tun. Das ist reine Selbstdarstellung, die an der eigentlichen Sache weit vorbei geht.

Aber genau das ist Politainment. Und alle springen auf den Zug auf, sogar im Privaten. Da am Stammtisch sowieso nur Menschen sitzen, die in derselben Meinungsblase wie wir gefangen sind, verschlägt es uns ins dann ins Netz. Wir sind ja bekanntermaßen alle Experten für alles und zeigen das dann auf Facebook, Twitter und Co auch.

Wir spielen Elefantenrunde mit Unbekannten und erkennen hinter unserem Gegner wahlweise einen „Nazi“ oder einen „linksgrünversifften Gutmenschen“. Dabei ist uns der Mensch hinter dem anderen Bildschirm egal, denn: Es gibt keine Zivilisten in diesem unsachlichen Meinungskrieg! Schnappen Sie sich eine Meinung Soldat, rechts oder links: ist doch egal, Hauptsache Sie wissen, wer der Feind ist!

Diese Rücksichtslosigkeit lässt sich jedoch nicht nur in den sozialen Medien beobachten. Rote Linien zu überschreiten ist auch unter Parteien zur Normalität geworden. Besonders beliebt und bei Rechtspopulisten oft gebraucht ist die prinzipielle Kritik an der Political Correctness. „Ein Maulkorb, der es auf die Meinungsfreiheit abgesehen hat“, skandiert die AfD gerne.

Dabei ist Political Correctness nichts anderes als Anstand. Wir nehmen Rücksicht auf andere, versuchen sie nicht persönlich zu beleidigen oder zu verletzen. Das ist kein Sprechverbot. Und mit Sprechverboten kennen sich auch die Kritiker der politischen Korrektheit bestens aus.

Als Simone Peter von den Grünen den Polizeieinsatz in der Silvesternacht 2016 aufgrund der Bezeichnung „Nafri“ kritisierte und nach der Verhältnismäßigkeit fragte, schlug ihr ein Sturm der Kritik entgegen. Ihre Meinung sei unqualifiziert, behauptete beispielsweise der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt.

Unqualifiziert? Wie qualifiziert man sich denn um ein Recht auf freie Meinungsäußerung zu erwerben? Feedback ja, aber nur wenn es mir gefällt? Politische Korrektheit ist in erster Linie die Forderung nach Sachlichkeit. Und Sachlichkeit, ich sag es gern, ist des Pudels wahrer Kern.

Das heißt, dass wir nicht hinnehmen dürfen, dass Menschen beleidigt oder ganze Gruppen pauschal verurteilt werden. Das bedeutet aber auch, dass wir nicht „Anwalt für alle“ spielen. Political Correctness ist keine Aufforderung, an jeder Stelle Rassismus, Homophobie oder Sexismus zu unterstellen. Das ist sogar gefährlich.

Wenn ich einer Frau Rassismus unterstelle, weil sie Angst hat, wenn ihr eine Gruppe von Männern am Hauptbahnhof begegnet, dann relativiere ich wirklichen Rassismus.

Diese beiden Pole erschweren den momentanen Diskurs enorm. Auf der einen Seite die „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Fraktion, die sich auf widerlichste Art und Weise äußert und das mit der Meinungsfreiheit begründet. Und auf der anderen Seite die, die in jedem Wort etwas Diskriminierendes finden wollen.

Zugegebenermaßen ist es aber auch nicht leicht, der Zuordnung in ein Debattenlager zu entkommen. Was auch immer man zum Diskurs beisteuert: Es wird sofort einem Block zugeordnet.

Wir haben uns an die defekte Debattenkultur längst gewöhnt. Und genau das ist das Gefährliche: Einmal an etwas gewöhnt, ist es schwierig, loszulassen. Auch dann, wenn man sich an kaputte Umstände gewöhnt hat. Nur muss uns klar sein, dass man Demokratie so nicht zusammen gestalten kann.

Aber vielleicht sind wir auch gar nicht mehr in der Lage, anständig miteinander zu reden. Wofür überhaupt die ganzen Diskussionen? Es wäre doch viel einfacher, wenn einer bestimmen würde.

Vielleicht braucht Deutschland wieder einen starken Mann, der auf den Tisch klopft und sagt: „Das machen wir jetzt“. Einen Macher. Einer, der nicht debattiert, sondern einfach handelt. Dann sparen wir uns die ganze Kommunikation! Der Führer richtet es!

Na, Angst? Ich schon. Wenn wir es nicht schaffen, wieder sachlich zu gestalten, werden wir diese Person bekommen, ob wir wollen oder nicht.

Ein wichtiger Schritt in Richtung Sachlichkeit ist, den eigenen Geltungsanspruch zu reduzieren. Das „alles oder nichts“-Prinzip funktioniert im politischen Diskurs einfach nicht. Deswegen wird es Zeit, wieder kompromissbereit zu werden! Es wird Zeit, den Anstand wieder zu entdecken! Und es wird Zeit, Probleme wieder verantwortungsvoll und sachlich anzugehen! Demokratie gestalten wir zusammen.“